Abdul Rashid ist der Präsident von Rotaract Ghana mit speziellem Engagement für das Projekt „EndPlasticSoup“ mit dem wir bis 2050 den Plastikmüll aus den Meeren verbannen wollen.

Home

Ausserdem arbeitet er in der Region des „White Volta“ im Norden Ghanas an „Agro – Reforrestation“ – ein Projekt, das wir wegen des enormen Potenzials zum CO2 – Wiederaufnahme unterstützen, die CO2 Emissionen für unsere rotarsichen Aktivitäten zu kompensieren. Der junge Mann ist voller Energie, den ganzen Tag über Telefon, WhatsApp und in Online Meetings unterwegs. Eingeladen nach Berlin, Nürnberg, Amsterdam, Vertreter Westafrikas bei der Weltklimakonferenz in Dubai und gerade auf dem Weg in die USA zum internationalen Treffen der „Water Sanitation, Hygiene“ Arbeitsgruppe von Rotary Interational. Bestens vernetzt und bekannt habe ich keinen Zweifel, dass er in Zukunft wichtige Positionen in und für Afrika einnehmen wird. Wir sind Freunde geworden und der Gesprächstoff geht uns nicht aus.

Er hat sich für Donnerstag „5 pm“ angemeldet, fährt morgens in Accra los, dort hat er sich erfolgreich um das USA Visum beworben. Ich rechne nicht vor 8 pm mit ihm. Meine Köchin hat schon für zwei gekocht, das bedeutet: für eine ganze Familie und bringt mir strahlend ein original ghanaisches Menü, „this is cassava“ – die Wurzel der Manniokpflanze, der Süßkartoffel ähnlich und ohne Frage Nationalgericht (was uns die Kartoffel). Gabbie, die Köchin und ihr Gast, Dr. Ralf haben ein grundlegend differentes, unvereinbares Ziel. Ich wollte gerne abnehmen und hatte so an 5 kg in 4 Wochen gedacht. Sie dagegen, will das auf jeden Fall verhindern und denkt sogar an eine gewisse Gewichtszunahme. Aktuell liege ich ziemlich weit vorn, „abdominal discomfort“, kein Hunger und weitere Unregelmäßigkeiten, möglicherweise durch das Malarone, die Malariaprophylaxe. Abgesehen von dieser Grundsatzfrage verstehen wir uns gut, sie ist die Frau des ärztlichen Direktors und verpflegt die Gäste aus Europa, Gynäkologen, Urologen, Chirurgen – es ist immer jemand hier.

Zur estimated time of arrival,  8 pm, textet Abdul, dass er nicht kommt. Aber morgen früh, da melde er sich.

Er erreicht Nkawkaw um 8 pm, aber eben am Samstag und nicht am Freitag. Der Wagen fuhr nicht, er musste stundenlang warten und die Fahrt in die Nacht hinein dauerte. Ich freue mich sehr, ihn in die Arme zu nehmen. Schon legen wir los: er will mir unbedingt bei meinem Plastik Cleanup auf dem Krankenhausgelände helfen und am allerliebsten dabei sein. Meine Biervorräte sind ungefährdet, er trinkt keinen Alkohol. Mit großem Appetit macht er sich über das Familienabendessen her. Keine Reste heute.

Es ist nämlich so: sie bringt große Mahlzeiten, die kannst du gar nicht schaffen. Doch will ich sie nicht kränken. Erinnert ihr euch noch an das Gefühl in der Kindheit, irgendeine Tante mit großer Erwartung und voller Liebe hat dich bekocht. Du kannst es nicht essen und nicht zurückgeben. Da musst du dir etwas einfallen lassen. Ich bin gleich zurück…

Am Freitagmorgen werde ich Teilnehmer und Zeuge eines ersten großen Meetings. Anwesend sind Sr. Ruth, Abdul und Jude, der kräftige Held, der Schlangentöter und Leiter „Maintenance“. Die GRVD hatte mir ein ausführliches Schreiben zu den kulturellen Unterschieden zwischen Ghana und Deutschland gesendet. Ein Großer ist, dass organisatorische Treffen keineswegs kurz, präzise und zielführend durchgeführt werden, sondern eine große soziale Bedeutung haben: es geht um das Miteinander. Unser Ziel war die Vorbereitung des Plastik – Cleanup auf dem Krankenhausgelände. Ich hatte eine Finanzierungszusage von „EndPlasticSoup“ (Marja Ritterfeld) und den Eindruck, dass wir das ganze lösungsorientiert in maximal 30 Minuten vorbereiten würden. Wegen der Vorabinformation rechnete ich aber mit einer Stunde. Es wurden 3 ½ Stunden. Und ich habe die Zeit genossen. Erst als zwei Nonnen aus dem Konvent vorbeikommen, dass ich ihre Diabetesmedikation überprüfe und Reverent Father Derick auf dem Weg zum Volleyball vorbeischaut, löst sich die Besprechung langsam auf. Was soll ich sagen: ohne wesentlichen Fortschritt in der Organisation. Nächsten Samstag soll es los gehen, 6:30 Uhr. Ich bin gespannt, verunsichert, wie es laufen wird und doch voller Vertrauen. „Mit leeren Händen greife ich nach dem Pflug“, lautet mein aktuelles Koan. Wo sollte ich das besser erfahren, als hier?

Nachmittags möchte Abdul in die große Moschee, beten. Gerne komme ich mit, das mir der Freitag nicht so lang wird.

Wir laufen, es ist heiß. Von überallher erschallt das „obroni, obroni“ der Kinder, „ein Weißer, ein Weißer“! Überall Menschen in ihren bunten Kleidern, einige atemberaubend schön, anderen ist die Armut ins Gesicht geschrieben ist. Moderne Menschen mit goldenen Markenbrillen und Uhren, Taschen. Straßenverkäuferinnen mit schweren Lasten auf dem Kopf winden sich zwischen den stinkenden, hupenden Autos und versuchen ihre Waren, Getränke, Brote, Eier zu verkaufen. Volle Sonne, volles Gewicht, wenig Kunden, viel Konkurrenz.

Die kleine Stadt hat ihren ganz eigenen, sehr lauten Sound. Überall und immer hupen die Fahrer der Autos und TucTucs. Aus zahlreichen Musikboxen erschallt rhythmisch wummernde Musik, irgendwo hält jemand eine äußerst durchdringende Rede. Es ist nicht selten ein einzelner aufgeregter Herr mit Mikrophon vor seinen überdimensionierten Lautsprechern. Niemand scheint ihm zuzuhören, niemand stört der Lärm. Ich wüsste gern, was ihn so schrecklich aufregt.

All überall Autos und Tuc- tucs in regellosem Durcheinander bahnen sie sich ihren Weg, soweit ich es mitbekomme, unfallfrei.

Straßenküchen mit mir fremden, unansehnlichen Fleischarten, irgendwas mit Bauchfett und Gekröse, Drüsen. Abdul möchte unbedingt, dass ich probiere, es sei so lecker. Geht so finde ich, später habe ich abdominellen Dyskomfort.

Beeindruckt von den Farben, Gerüchen, Bildern, Klängen laufe ich durch Nkawkaw, afrikanisches Leben in großer Intensität, weitere Obrunnis sind nicht unterwegs.

Schuhe aus. Die Moschee ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Kinder laufen herum, ansonsten überwiegend junge Männer in tiefem Gebet, Richtung Osten. Ich bemühe mich weder aufzufallen noch zu stören. Der Imam betet auf arabisch vor, die Gläubigen nach. Geschafft. Es dauert nicht lange, dann gehen wir wieder, gehe niemals vor den Betenden. Ein Foto, Händeschütteln mit Offiziellen.

Draußen warten hunderte Kinder, denen wir eine große Dose Lollipops spendieren. Große, ganz große Turbulenz bis ein strenger Herr mit langem schwarzen Kaftan und einem fiesen Bambusstock für Ordnung sorgt. Alle in eine Reihe aufgestellt! Manche halten es nicht aus, stürmen vor, der schlägt heftig zu, der geistliche Herr. Das es zischt und klatscht und den Kleinen die Tränen kommen.

Abdul möchte mir unbedingt den ghanaischen Supermarkt schlechthin zeigen, Melcom, und fotografiert mich im Kaufhaus ununterbrochen. Ich muss alle vier Etagen besuchen und mich zwischen all den Waren entscheiden und einkaufen, finde nichts bis auf diese wunderbaren britschen „London Shortbread Biscuits“.

Es ist ein intensives Nkawkaw – Erlebnis, in das ich da mit Abduls Unterstützung eintauche. Gleicher Planet, ganz ander Welt. Unterwegs finden wir einen lokalen Plastiksammler, der sein Hartplastik an eine Recycling Firma verkauft und damit sein Geld verdient. Abdul ist Plastikexperte: Polyethylen, Polypropylen, Polyvinylchlorid, Polysterol, Polyurethan. Thermoplaste, Duroplaste, Elastomere.

Es geht nicht nur um das Plastik überall, die riesigen Müllstrudel in den Ozeanen, das bedrohte maritime Leben. Es geht auch um Unmengen von Mikroplastik, das Mensch und Tier bedroht.

Wir tauschen die Telefonnummern aus – vielleicht kann der Straßenhändler das Material unseres Krankenhaus – Cleanups verwerten. Stell dir vor: Geld verdienen mit Plastikmüll, das könnte die Stadt verändern. Doch hier fliegt vor allem billiges „single use“ Plastik durch die Gegend, zwar in großen Mengen, doch nicht verwertbar. Irgendwo brennt Plastikmüll. Überhaupt: es gibt lokale Feuer überall. Die Luftqualität ist wirklich schlecht. Nur nach dem großen Regen gab es klare Sicht, manchmal kannst du die schönen grünen Hügel der Umgebung nur erahnen.

Avatar von Ralf Hardenberg

Published by

Categories:

Hinterlasse einen Kommentar