Cleanups sind Teil der Aktionen, die „EndPlasticSoup“ unternimmt unser Ziel zu erreichen: das Verschwinden der Plastikstrudel in den Ozeanen bis 2050.

Wir sind in der Bildungsarbeit aktiv, es gibt ein Theaterstück und ein Musical: „Schluss mit Plastik“.

Es gibt „Refuse, Reduce, Reuse, Repurpose, Recyle“ und Aktionen das Plastik aus den Ozeanen wieder zu entfernen.

In Ghana gibt es das Plastikproblem erst seit den 1980er Jahren. Doch seither beherrscht es die Landschaft, beherrscht der Plastikmüll Dörfer und Städte. Verstopft die Kanalisation, so dass es wieder Überflutungen gibt, wird mit den Flüssen in die Seen und das Meer gespült. Dazu kommt der Plastikmüllexport aus dem reichen Norden, dort sind die Straßen sauber, hier werden die Container ins Meer entleert. Jeden Tag, ein Container, weltweit: ein Container jede Minute. Sammelt sich mit den Meeresströmungen in riesigen, kontinentgroßen Müllstrudeln. Endlager Ozean. Katastrophe für die maritimen Ökosysteme. Das möchten wir nicht, so werden wir das unseren Kindern und Enkeln nicht hinterlassen.

Schluss mit Plastikmüll in den Ozeanen!

Die Bilder in Nkawkaw sind schrecklich. Plastik überall. Sie nutzen den Müll für illegale Vebrennung. Überall steigen stinkende grauschmutzige Rauchwolken auf. Die Luftqualität ist „gesundheitsgefährdend“. Kinder, diese wundervollen Kinder, spielen zwischen den „unnecessary fires“, die verboten sind, doch es gibt keine Kontrollen, sie brennen überall.

Die Kanalisation ist Sammelpunkt des Plastik, das Wasser trüb, grün, stinkend. Die Flüsse? Seht selbst. Zum Abschluss sende ich euch Fotos vom Strand vor Accra.

Auch auf dem Krankenhausgelände überall Plastik, tausende feine schwarze single-use Plastiktüten, die kleinen Wasserplastiksäcke, Plastikflaschen. All in.

Das Bewusstsein ist hoch, es gibt so viel Zustimmung zum Cleanup. Vor allem die Jungen wissen Bescheid und wollen etwas ändern. Aber es geht über alle Generationen und Berufsgruppen, der Reverent, die Mitarbeiter des „Maintenence“, Schwestern, Pfleger, die Nonnen aus dem Konvent.

Samstag morgen 6:30 Uhr.

Schwester Ruth in Hochform: es werden große Müllcontainer gekauft, feste Handschuhe,  Müllsäcke. Wasser, Drinks und etwas zu Essen für die Teilnehmenden. 25 haben sich angemeldet. Einige möchten mitmachen, trauen sich aber nicht uns anzusprechen. Wir fahren zu einer kleinen Straßen – Druckerei für die Zertifikate. Kaufen Preise und Süßigkeiten ein. Harte Verhandlungen für den Preis der beiden Fußbälle. Im „Malcome“ kaufen wir schicke (plastikfreie) Trinkbecher und eine große Wanduhr. Die soll die Neugeborenen Station bekommen, denn es die Zeit der kommenden Generationen, für die wir uns einsetzen.

Freitag ist Vorbereitungstag, es dauert alles ein wenig. Wir fahren mit den Tricycles und Taxis kreuz und quer durch die bunte Stadt. Das dauert, beispielsweise in der Druckerei. Doch dann sitzt da jemand, den unser Projekt interessiert, der uns helfen will und uns wunderbare Zertifikate und Aufkleber für unsere Sammeltonnen druckt.

Schließlich ist alles vorbereitet. Treffen morgen: 6:00 Uhr (Ghana Time). Abends treffen Robert und Bright aus Korforidua, der Provinzhauptstadt ein, uns zu unterstützen.

Das Guesthouse füllt sich, Gabby hat ein großes Mahl gekocht und die Gespräche kommen in Fahrt. Bright ist Radiosprecher und investigativer Journalist. Es sind schreckliche Begebenheiten voller Korruption und Kriminalität, die er und sein Team aufdecken. Wie Abdul Rashid ist er vollkommen desillusioniert in Bezug auf die Verantwortlichen in der Politik und dennoch vollkommen optimistisch für die Zukunft, denn dann werden die Jungen die Entwicklung bestimmen. Der Ausbau eines bezahlbaren öffentlichen Verkehrssytems wäre so wichtig. Es wurden Eisenbahnstrecken von Accra im Süden nach Kumasi im Norden gebaut. Bright zeigt Recherefotos, die belegen, dass auf einer Strecke von 32 (!) Kilometern die Bohlen und Streben herausgebrochen wurden und verschwunden sind. Niemand habe etwas bemerkt, die Polizei ist überrascht. Alles ist zum Stillstand gekommen, möglicherweise für Jahrzehnte. Er zeigt mir Recherchefotos eines großen Busparkplatzes, ausgeschlachtete öffentliche Busse ohne Räder und Bremsen, fahruntauglich, doch niemand kann erklären, wie es dazu kommen konnte. So müssen sie weiter stundenlang warten und endlos lang mit den kleinen, fahrtüchtigen aber fahruntauglichen, also gefährlichen privaten Überlandbussen fahren. Mehrfach wurde er wegen seiner Recherchen auf Polizeistationen verhört, er werde, er könne nicht anders als: weiter machen.

Am nächsten Morgen sitze ich um 6:00 Uhr vor der Endoskopie. Niemand da, woher wissen sie eigentlich, wann ihre Treffen wirklich stattfinden? Um halb sieben trifft Ruth ein, früh genug die Müllcontainer, Sammelsäcke, Handschuhe, Getränke und T – Shirts zum Treffpunkt am „Gym“ (Beer bally gym …) zu bringen. Denn dort ist auch noch keiner. Doch dann kommen alle und zwar in bester Stimmung. Es ist so fröhlich, sie haben Lust das Gelände vom Plastik zu befreien. Freuen sich über die Endplasticsoup T-Shirts und sehen in ihnen und mit den roten Handschuhen einfach nur super aus. I’m lost.

Ein knackiger Frühsportler mit freiem Oberkörper, das man es auch sieht, macht das Startfoto.

Dann geht’s los, ins Gebüsch und überall hin. Den größten Erfolg haben wir im Garten der Nonnen. Die Jungs haben7,8 kg reines Plastik gesammelt, ohne Flaschen. Unsere Sammlung wird sorgfältig gewogen und dokumentiert.

Wir sammeln eine gute Stunde, dann ist das Krankenhausgelände clean. Noch tagelang werde ich mich im Vorbeigehen nach Plastik bücken und es entsorgen. Cleanups verändern.

Die Jungs? Das sind 8 Pflegeschüler, auf dem Weg zur „Nurse“. Umwerfend, verdrehen sie so mancher Anwesenden den Kopf. Unbekümmert, fröhlich, energiegeladen, voller Blödsinn und Ehrgeiz, das Cleanup für sich zu entscheiden. Erster Platz, erster Preis: ein Fußball. Große Begeisterung. Sie werden hart trainieren und planen das Krankenhausteam herauszufordern und natürlich zu besiegen.

Ich verteile die fünf Zertifikate und weitere Preise. Sie freuen sich, wollen alle mit auf die Fotos. Mittlerweile hängen die Zertifikate auf den Stationen und läuft die Uhr bei den Neugeborenen.

Das Plastik wird sorgfältig verstaut, Jude hat Kontakt zu einer Händlerin, die es uns abkaufen und zum Recycling weiterleiten wird.

Dann sitzen wir noch zusammen und freuen uns. Die Getränke werden verteilt und kleine (non plastic) Beutel mit dem Mittagessen. Marja Ritterfeld sei Dank, können wir das mit der Spende von Endplasticsoup finanzieren. Es sind noch einige Beutel über, eine schüchterne Nonne aus dem Konvent kommt vorbei und freut sich über die unerwartete Mahlzeit. Es sind solche Momente, die mich besonders berühren.

Dann: Warten auf den Reverent. Ich wollte doch, aus Dankbarkeit für Unterstützung unseres Cleanups durch „Technology without borders (TWB), Ghana“ die, mittlerweile mit Joseph drei, Unterstützer mit dem Krankenhaus in Verbindung bringen. Wie vereinbart ist Fr. Derick um 14:00 im Guesthouse, doch mit wenig Zeit. Es gibt wenig zu besprechen. Für das Krankenhaus wäre der Kontakt zum „biomedical engeneering“ wichtig, Instandsetzung und Erhalt der Medizintechnik, doch unsere Besucher haben ihre Schwerpunkte im Wassermanagement und dem Recycling. Innerlich beginne ich mich gerade etwas zu schämen, dass meine Besucher so lange gewartet haben. Doch sind sie voller Respekt und freuen sich, dass ein so bedeutender Mann, wie Reverent Derick Mawuli sich für sie Zeit genommen hat. Adressen werden ausgetauscht und Fotos aufgenommen.

Kaum ist Fr. Derick gegangen taucht Gabby auf: Fufu mit Fisch, fünf riesige Schüsseln. Yam und Kochbananen. Riesenpudding, in der Konsistenz, nicht dem Geschmack, den österreichischen Germknödel ähnlich, aber mindesten dreimal so groß, gelblich, im Geschmack einem Süßkartoffelpüree nicht unähnlich. Dazu eine scharfe Soße und Fisch.

Hände waschen. Eine Schüssel, zwei Personen. Finger rein. Dann musst du etwas Fufu zu einer mundgerechten Kugel drehen, Soße drüber und Fisch, ab in den Mund. Es ist mir etwas schwergefallen. Meine Nachbarin, also Ruth lacht sich kaputt, das ganze wird gefilmt, fotographiert, kommentiert. Ich bin tapfer, aber schnell satt. Deshalb machen mir die riesigen Mengen Angst. FÜNF. Und schon wieder klopft es an der Tür und es wird eine weitere – sechste – Schüssel gebracht und eine Extraschüssel Fisch. Gabby fragt noch, was ich mir zum Dinner wünsche („nichts!“); Bright aber gerät ausser sich. Fragt nach Gabbies Telefonnummer. Lieblingsgericht, beste Köchin der Welt. Schon hat sie eine Einladung nach Korforidua. Jude hat kein Problem mit seiner Schüssel, ich meine er isst vier Fische. Auch die anderen haben keinerlei Probleme. Kaum zu glauben: alles verzehrt. Sie lieben Fufu mit scharfer Soße und Fisch, irgendetwas mit Nationalgericht und vor allem Kindheit.

Plötzlich ist mein Guesthouse wieder leer, kann ich mich wieder ausbreiten.

Freue mich, dass ich meinen Rotary Club informieren kann, Abdul, der uns so toll unterstützt hat und Marja, EPS Amsterdam. Es war der schönste Tag bisher. Die Menschen berühren mein Herz. Mehr geht nicht.

Wir müssen reden. Über „kulturelle Aneignung“, denn nichts weniger geschieht hier Sonntagsmorgens in der St. Michaels Church. Mein erster Besuch war eine irreführende Ausnahme. An Sonntag 2 und 3 war es einfach nur: bezaubernd.

Es läuft so: der heilige römische Ritus, die Gebete, der Segen, das Glaubensbekenntnis, die Wandlung, alles kommt vor. Sehr ernst, sehr feierlich, bestens einstudierter Choreographie. Doch dann kommt: Ghana! Der Rhythmus der Gesänge reißt alle mit, es wird getanzt, geklatscht, die Leute lachen, kichern, feiern. Kinder laufen herum, spielen, besorgen sich Süßigkeiten. Es ist ein besonderer Ghana – Rhythmus, der alles bewegt. Ich glaube er ist tief in ihnen drin, schon die Kleinen auf den Rücken ihrer Mütter schaukeln mit, er scheint mir in ihrem Gesang, ihrem Tanz, in ihren Worten und ziemlich sicher auch in ihren Gedanken zu sein, in jedem „move“. Auch die Älteren hält es jetzt nicht mehr auf den Bänken, sie stehen auf und sind Gesang, sind Rhythmus, sind Bewegung; Freude. Ich will nicht schon wieder von den Kindern schwärmen, doch in ihren feinen bunten Sonntagskleidern, mit diesen süßen Zöpfchen, in Anzügen, das haut dich um.

Wenn es bei uns ans Spenden geht, im Gottesdienst, erklingt die Orgel und ein Klingelbeutel wird durch die Reihen gereicht. Soll keiner sehen, wieviel und ob und wer spendet oder nicht. Hier jubilieren die Chöre, stehen die Menschen auf und ziehen in langen Reihen vor den Altar, jeder mit seinen Cedi – Geldscheinen, auf dem Weg zum Altar und erst recht zurück lachen und singen sie, bewegen sich tanzend auf ihre Plätze zurück. Dann kommen sie vom Eingang durch die lange Mittelreihe mit Geschenken und Briefumschlägen aller Art. Riesige Bananenstauden werden angeschleppt, Früchte, Gemüse, volle Körbe vor den Altar gebracht. Reverent Derick segnet mit seinem Weihwasser Wedel. Es ist ein großer Spaß und deshalb findet das ganz zweimal statt. Freude am Schenken, sehen und gesehen werden. Gemeinde.

Ich sehe die weitgehend leeren Kirchen zu Hause vor mir, die wenigen verbliebenen Gläubigen und einen älteren Pfarrer, der eine schwere Bibel hoch und dann vor seine Stirn hält und den Gläubigen zeigt. Lesung.

Reverent Derick steht mit großer Freude und beobachtet, wie das heilige Buch von einer bunten Gruppe von Menschen andächtig zu ihm gebracht wird. Die Bibel ist in rotgoldenem Umschlag und wird von einem kleinen Jungen würdevoll hochgehalten, der auf einer Sänfte sitzt, die von vier Männern getragen wird. Die Sänfte ist mit bunten Stoffen ausgeschlagen, Kerzen werden vorangetragen, feierliche Musik der Chöre, der Junge zeigt die Bibel den Gläubigen, die ihn anstrahlen. Langsam und feierlich schreiten sie zum Altar und überreichen dem Reverenten die Schrift. Lesung.

Zwischenfall. Der Auftritt einer verwirrten älteren Frau sorgt für Aufsehen. Sie lief schon vorher mehrfach etwas desorientiert durch die Kirche. Ein „usher“ hatte sie erst zurecht und dann hinausgewiesen. Doch nun eilt sie zielstrebig direkt auf das Allerheiligste zu. Die Predigt, obwohl gerade an einem Höhepunkt (Jesus zu seinen Jüngern: Folget mir. Nehmt nichts mit als den Weg. Geht!) muss unterbrochen werden. Zunächst lässt sie sich abführen, dann wächst der Widerstand. An dieser Stelle taucht ein kräftiger Holzstock auf, der offenbar eigens für vergleichbare Ereignisse bereitgestellt ist. Vielleicht ist sie aus der Klinik für „Mental Health“ des Krankenhauses entkommen. Erwartungsgemäß steigert sich ihre Aufregung nach den ersten Schlägen. Es braucht eine große Zahl Menschen, sie schließlich doch einigermaßen sicher abzutransportieren. Möge sie ihre Ruhe wiederfinden. Reverent Derick bleibt gelassen, wirkt beruhigend, dann setzt er seine Predigt fort. Ändert euch, eure Routinen, seid ernsthaft, bemüht euch und wisst, dass es nicht ohne Opfer geht. Wenn ihr etwas falsch gemacht habt, sucht nicht nach Erklärungen, haltet den Fehler aus. Ihr habt ihn gemacht. Andere werden euch verzeihen.

„Nehmt nichts mit, als den Weg“. Was für ein bedeutsamer Satz!

Zurück zur kulturellen Aneignung: Sie haben die traditionellen römisch – katholischen Ausdrucksformen in ihre Identität aufgenommen, sie haben sie in ihren Kontext gestellt. Sie sind längst der Träger der dominanten katholischen Kultur. Haben Symbole, Artefakte, Riten übernommen und mit enormer Lebensenergie zu einem neuen Ausdruck gebracht. Glück gehabt, katholische Kirche.

Vermutlich ist der Begriff „Transkulturation“ korrekter, dieses Phänome zu benennen. Die friedliche und feierliche Übernahme und Integration in die eigene Kultur als Ausdruck dessen, was gerade jetzt hier ist.

Es ist sehr bewegend. Es ist voll, voller Kinder und Jugendlicher, die ganz selbstvertändlich ihre Aufgaben in diesem großen Fest übernehmen. Sprich Zukunft.

Zur Kommunion, die ein weiterer ganz großer Auftritt der Gemeinde ist, folgt eine sehr klassische Aria, vorgetragen von einem stimmgewaltigen Tenor, große Kunst, unbeschreibliche.

Avatar von Ralf Hardenberg

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